Vorgeschichte
Meine Frau sagt immer: In den ersten 38 Jahren Ihres Lebens hat sie in einer einzigen Stadt gelebt. Nach dem Umzug nach Deutschland hat sie nun schon 6 Mal umziehen müssen! Drei Mal sei ja wie einmal abgebrannt...Der siebente (!) Umzug soll nun der vorläufig letzte werden.
Ich bin ja "heimatloser Zigeuner" - als Ex-Ossi habe ich ja schon die Folgen der Globalisierung spüren müssen, als im Westen noch nach dem Wort gesucht wurde...
Wie war das doch 1989 ? "Kommt die DM nicht zu mir - dann geh' ich zu Ihr!"
Wenn man schon aus der DDR-Biografie heraus Mobilität anerzogen bekommen hat, ist es dann auch im Westen nicht ungewöhnlich, dass man immer der DM oder dem EURO hinter her zieht, um ALG I oder Hartz IV zu entgehen, oder weil ich mit bestimmten "Firmenkulturen" meine Schwierigkeiten hatte.
Nach dem ich 2012 im Rechnungswesen eines privatisierten Krankenhauses zu arbeiten angefangen hatte, war ich der Meinung, einen Job gefunden zu haben, der mich und die Familie bis zur Rente ernähren würde. Die Krankenkassen würden es wohl auch in Zukunft kaum bezahlen, die Patienten nach China zu fliegen, weil die Ärzte und Pfleger da billiger sind. Also wird des wohl in Deutschland in für mich absehbaren Zeiten immer Krankenhäuser geben...
Meine Frau hatte nach der ungeplanten Babypause mit unserem Jan ihr russisches Diplom der angewandten Mathematik gegen eine Urkunde der Steuerberaterkammer Bremen eingetauscht, mit der sie sich nun offiziell "Steuerfachangestellte" nennen durfte. Sie hatte in einer kleinen aber feinen Steuerberater- und Rechtsanwaltskanzlei im Hamburger Speckgürtel einen guten Teilzeitjob gefunden und wir bereiteten unseren Sohn auf die Einschulung in die Pinneberger "Schülerschule" vor, in der die Eltern, Lehrer und Erzieher gemeinsam seit 1985 in "privater Trägerschaft" Integration oder Inklusion von behinderten Kindern praktizieren. Also schon zu einer Zeit als sich in unserem kleinstaatlichen, föderalen Bildungssystem Politiker noch um ganz andere Probleme Sorgen machten.
Was lag also näher. als dass meine Frau begann, mir die Idee vom Hausbau zu suggerieren. Zumal die äußeren Rahmenbedingungen auch günstig waren: Das historisch niedrig genannte Zinsniveau, der Umstand dass wir beide erstmalig seit dem Beginn unsres gemeinsamen Zusammenlebens ein regelmäßiges Einkommen hatten und ich mich als gebürtiger Stralsunder in Norddeutschland zum ersten mal so was wie heimisch fühlte.
Zwar war absehbar, dass wir das Haus bis zur Rente nicht abzahlen könnten. Aber egal wie lange wir der Bank noch "Miete" zahlen würden. Das entstandene Vermögen sollte durch geschickte Vererbung an die nicht behinderten großen Kinder die Grundlage dafür sein, dass wir uns um die Entwicklung und das Schicksal unseres letzten Sohnes, der nun mal ein 21. Chromosom zu viel hat keine Sorgen machen müssten.
Die Russen in Deutschland - egal über welchen Paragraphen eingewandert - eint eine Eigenschaft: Sie hassen es, fremden Menschen Geld dafür zu zahlen, in einer Ihnen nicht gehöhrenden Wohnung leben zu dürfen. In Russland konnte man bei der Rückkehr zum Kapitalismus die Wohnung in der man gerade wohnte, einfach auf sich umschreiben lassen und erhielt so gewissermaßen einen Anteil am "Volkseigentum". Dadurch gibt es bei den alteingesessen Städtern viel mehr Wohnungseigentümer als in Deutschland - und auch über alle sozialen Schichten hinweg.
Für mich war ein anderes wirtschaftliches Argument entscheidend: Als Schuldner oder Kreditnehmer ist man einer der wenigen Profiteure der Inflation. Während alle anderen Altersversorgungssysteme egal ob Versicherungen, Kapitalanlagen oder selbst die viel gepriesenen Riesterrenten unter der Inflation, dem Kostendruck oder der Raffgier der Banken und Versicherungen leiden, sind 200.000 EUR Schulden in 30 Jahren nur noch einen Lacher wert...Und das bei den wirklich niedrigen Zinsen. Ich spekuliere ja schon darauf, dass wir nach dem Ende der Zinsbindung Negativzinsen haben werden, d.h. von der Bank noch Geld dazu kriegen, weil wir Schulden bei Ihnen haben...
Ein Eigenheim, in dem man im Alter die immer weiter steigenden Mieten NICHT zu zahlen hat und bei dem man durch das niedrige Zinsniveau heute die Tilgung so hoch schrauben kann, dass man im Falle von tatsächlich steigenden Zinsen auf "normale" Tilgung gehen kann, um auch im Rentenalter die "Miete" bezahlen zu können (oder eben gar nicht), ist für mich deshalb die beste Altersvorsorge.
Nicht zu vergessen auch der psychologische Umstand, dass jede Veränderung am und im Haus, sei es in der Planungsphase von uns mit eingebracht oder später von uns auch selbst realisiert, ohne Rücksicht auf Vermieter, eventuelle Nachmieter etc. nur für uns als Eigentümer durchgeführt wird und werden kann.
Im Laufe der Zeit hatte mich meine Frau also nicht nur überredet, sondern auch überzeugt, was sie im Verlaufe der Planungs- und Bauphase noch bereuen sollte
Parallele Handlung:
Mein Wunsch in der "Metropolregion Hamburg" den Job bis zur Rente gefunden zu haben, erfüllte sich nicht: "Privatisiere alle öffentlichen Versorgungseinrichtungen - und über Nacht wird aus einem Fass ohne Boden für den Steuer- oder Beitragszahler durch den privaten Eigentümer eine Profitquelle" - dass ist auch so eine Religion, die ich immer mit dem Glauben an Mao vergleiche...)
Ein Krankenhaus ist aber immer noch ein Politikum und kann eigentlich nicht Pleite gehen: Sicher werden hier und da mal Bettenzahlen zusammengestrichen und die "Versorgungsdichte" durch Schließung kleinerer Krankenhäuser mit viel öffentlichem Geschrei eingeschränkt - aber die Patienten einer Stadt mit 40 oder 50 Tausend Einwohnern ohne Krankenhaus zu lassen, das traut sich momentan in Deutschland noch keiner. Also werden die systembedingten Macken des Gesundheitswesens auf den Knochen der dort Beschäftigten "ausgeglichen"...
Nee, Vater, das hältst Du nicht bis zur Rente aus - das war praktisch die Konsequenz für mich!
Im Februar 2013 kündigte ich mit 6 monatiger Kündigungsfrist zum 30.09. Parallel zu unseren Bauplanungen suchte ich insgeheim einem neuen Job. Im Juli 2013 meldete ich mich prophylaktisch als "Kunde" bei der Bundesagentur für Arbeit, wohl wissend, dass mir eine Sperrfrist von 12 Wochen drohte, da ich es gewagt hatte, den "Versicherungsfall" durch eigenes Verschulden (Kündigung) auszulösen...
Jetzt wollte meine liebe Frau am besten wieder zurück rudern und das ganze Projekt rückabwickeln: Werkvertrag, Grundstückskauf und Darlehensvertrag. Meine Reaktion: Einen neuen Job habe ich mir in meinem Leben bestimmt schon zehn mal gesucht - ein Haus für seine Familie baut man in der Regel nur ein einziges Mal!
Am 02.09.2013 kam die Zusage von meinem jetzigen Chef, dass ich ab 01.10.2013 bei ihm anfangen kann... 28 Tage vor dem Eintritt des "Versicherungsfalles"
Meine Frau hätte mir Weihnachten 2012 nicht das Carnegie-Buch "Sorge Dich nicht - Lebe!" schenken sollen - mit solchen Konsequenzen hatte sie wohl nicht gerechnet.
Inzwischen steht unser Haus. Jetzt wo ich das schreibe, steht die Rohbauübergabe fast vor der Tür. Wir haben schon einen Teil unserer neuen Nachbarn kennen gelernt und uns gegenseitig schon mal ausgeholfen. Unter Facebook gibt es eine ganze Gruppe von Hausherren die auf der "Schafweide" bauen...
So ein Bauvorhaben - egal mit welcher Baufirma - verändert schon das Leben....